Personalauswahl: Big Brother is watching you

Künstliche Intelligenz und schlaue Algorithmen erleben in der Personalauswahl einen Boom. Doch nicht alles, was smart und digital daherkommt, ist auch sinnvoll.  

Personalauswahl: Wenn Digitalisierungsbestrebungen Grenzen überschreiten

Derzeit versuchen allerlei Startups mit hippen Namen die Personalauswahl mittels Künstlicher Intelligenz (KI) auf neue Füße zu stellen. KI erleichtert in der HR-Arbeit zweifellos vieles. Nie war es zum Beispiel leichter, Talente im WWW für die Direktansprache auszumachen. Die Eingabe bestimmter Keywords in eine moderne Talentsuchmaschine reicht, und schon spuckt das Tool wechselwillige Kandidaten aus, die vom Recruiter kontaktiert werden können. So etwas ist unglaublich praktisch. Allerdings überschreiten manche Digitalisierungsbestrebungen schlichtweg Grenzen.

Zum Beispiel, wenn Telefoninterviews für die Erstellung psychologischer Profile herangezogen werden. Das ist leider bei manchen Unternehmen gängige Praxis. So geht’s: Bewerber werden zu einem Telefoninterview eingeladen. Allerdings führt nicht der Recruiter das Gespräch, sondern der Computer.

Skurrile Fragen von Robotern

Anhand des Sprachtempos, der Stimmhöhe und anderen Parametern erstellt die Software ein Persönlichkeitsprofil eines Kandidaten. Binnen Minuten soll so die Antwort auf die Frage aller Fragen gefunden werden: Passt der Kandidat zum Unternehmen? Dabei drehen sich viele Fragen, die der Sprachbot in dem etwa 15-minütigen Interview stellt, nicht einmal um Berufliches.

Stattdessen sollen Talente den Ablauf eines typischen Sonntags beschreiben. Der Roboter hakt außerdem nach: „Wie war eigentlich Ihr letzter Urlaub?“

Nicht jedes Tool taugt für die Personalauswahl: Berechtigte Zweifel angesagt

Klingt skurril, soll aber wissenschaftlich abgesichert sein. Experten wie Uwe Kanning, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück, bezweifeln das. Die Studien, auf die sich der Hersteller eines solchen Tools stütze, seien Masterarbeiten, die sich auf Daten beziehen, die dieser höchst selbst geliefert habe. Kanning findet das mehr als geschmäcklerisch!

Unabhängig von allen Validitätsproblemen haben wir uns angesichts dieser Debatte aber noch etwas ganz anderes gefragt: Schießen derartige Digitalisierungsbemühungen nicht grundsätzlich übers Ziel hinaus? Die Studie „Digital Candidate Journey 2019/2020“ legt jedenfalls genau das nahe: Ein bisschen New Work- und Digitalfeeling darf anfangs bei der Personalbeschaffung schon sein, aber spätestens im Interview möchten Talente lieber mit realen Menschen sprechen.

P.S.: Erst kürzlich berichtete die FAZ darüber, dass Precire als Anbieter nun einen Kurswechsel vollziehen will.


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