Sandwich Manager im agilen Netzwerk – was bleibt übrig von der Macht?

Sandwich-Manager haben keinen leichten Job – die Firmen wandeln sich, das Top-Management fordert neue Arbeitswelten. Alles soll digitaler, agiler und vernetzter werden. Richten soll‘s die mittlere Führungsebene. Das sorgt oft für Bedenken, Widerstände und „Bei-uns-nicht-Argumente“. Aber Hand aufs Herz: Diese sind nicht immer fachlich bedingt, richtig? Sie gründen auch auf existentiellen Sorgen: Die Angst der Sandwich-Chefs ist groß, dass sie innerhalb der neuen Netzwerkstrukturen ihre Rolle komplett überdenken müssen oder sogar überflüssig werden.

Schnelle Entscheidungswege und flache Hierarchien sind ein Muss

Künftig arbeiten und kommunizieren agile Teams zunehmend autonom miteinander und besprechen neue Ideen oder bestehende Herausforderungen direkt mit ihren Kunden oder mit den Chefs der höchsten Etage. Welche Aufgabe bleibt da noch für die mittlere Führungs- bzw. Leitungsebene? Die Frage ist nicht ganz unberechtigt.

Sickerten Ideen und Informationen von Mitarbeitern doch bislang immer durch den Filter der Sandwich-Manager. Sie hatten die Entscheidungsgewalt darüber, wie ausführlich sie diese nach oben transportieren und ob überhaupt. So mancher innovative Ansatz von Mitarbeitern hatte es in der Vergangenheit dadurch allerdings schwer, das Nadelöhr des Vorgesetzen oder der Fachabteilung zu passieren.

Manchmal auch deshalb, weil eine Idee so gut war, dass sich der Abteilungs- oder Teamleiter in seiner Position bedroht fühlte. Indem er den Mantel des Schweigens darüber ausbreitete, verhinderte er einen Karriereaufstieg des betreffenden Kollegen. Wie viele Innovationspotenziale mögen in den letzten Jahrzehnten so auf der Strecke geblieben sein?

Gestiegener Wettbewerbsdruck – alle müssen mehr mitdenken

Das können sich Unternehmen heute nicht mehr leisten. Viele Organisationen haben erkannt, dass sie ihre Mitarbeiter stärker am Wertschöpfungs- und Innovationsprozess teilhaben lassen müssen. Denn die Zeiten, in denen es ausreichte, dass nur der Kopf der Organisation denkt und die Richtung vorgibt, sind vorbei. Der Wettbewerbsdruck ist in allen Märkten immens gewachsen. Dem haben Unternehmen nur etwas entgegensetzen, wenn sie Innovation auf Innovation liefern. Und dafür müssen alle ihre grauen Zellen anstrengen und die Ideen von ganz unten müssen auch ganz oben ankommen.

In der Konsequenz müssen Mitarbeiter ihre Stimme direkter und schneller erheben können als bisher. Am besten, indem sie sich auf Augenhöhe untereinander und direkt austauschen. Immer häufiger kommen dazu beispielsweise Social Corporate Networks zum Einsatz. Eine Art Facebook für Firmen – mit dem Unterschied, dass die für das Business-Umfeld programmierten Tools absolut datenschutzkonform sind.

Soziales Netzwerken in Unternehmen: So geht‘s

Die digitalen Netzwerke eignen sich perfekt dazu, dass sich verschiedene Unternehmens-Ebenen und Mitarbeiterteams direkt austauschen können. Jederzeit. Und an jedem Ort. Schnell und einfach per App auf dem Firmenhandy. Das Prinzip: In einem Nachrichtenstream tauschen alle Mitarbeiter mit allen anderen Ideen, Gedanken und Neuigkeiten aus.

Soll es privater zugehen, bietet sich die Chatroom-Funktion ein. Hier kann man in kleineren Gruppen oder zu zweit Gedanken nachhängen. Der Effekt: Alle im Unternehmen sind über sämtliche Unternehmensstandorte hinweg miteinander vernetzt und Ideen kursieren von unten nach oben, von oben nach unten und kreuz und quer.

Sandwich-Manager fürchten: Kommt es zu Anarchie und Kontrollverlust?

Für viele Sandwich-Manager sind solche Szenarien natürlich furchterregend. Sie fragen sich: „Macht die digitale Vernetzung einen nicht unerheblichen Teil meiner Rolle überflüssig?“ Deuten die aktuellen Entwicklungen nicht unweigerlich auf das Abgeben von Macht, Verantwortung, Einfluss und den Verlust von Statussymbolen hin? Zugunsten sich selbstorganisierender Teams.

Doch die Bedenken der betroffenen Führungskräfte gehen natürlich auch über das eigene Ego hinaus. Kommt es bald zu Anarchie und Chaos, wenn die alte Ordnung wegbricht? Das fragen sich vor allem die Sandwich-Manager der alten Schule. Zu allem Überfluss müssen sie auch noch tatenlos dabei zusehen, wie sich das Schwarmprinzip sozialer Netzwerke nach und nach auch in den Führungsstrukturen agiler Unternehmen manifestiert. Das lässt die Ängste nicht kleiner werden.

Best-Practice: Work like a Spotify Soziales Netzwerken im Alltag

Nehmen wir etwa den Streamingdienstleister Spotify. Das klassische „Du-da-unten-ich-hier-oben-Denken“ sucht man hier vergebens. Stattdessen arbeiten bei Spotify autonome Teams, sogenannte „Squads”, miteinander. „Diese crossfunktional besetzten Teams (…) haben end-to-end Verantwortung für einen ausgewählten Bereich oder ein Feature“, wie auf digitaleneuordnung nachzulesen ist.

Weiter heißt es: „Jede Spotify Squad ist einer sogenannten Tribe zugeordnet, in denen es wiederum Chapter gibt. Dabei ist das Ordnungskriterium für ein Chapter fachlicher Natur. Z.B. gehören alle Designer innerhalb einer Tribe einem Chapter an. Der Chapter-Lead ist auch gleichzeitig die Führungskraft des jeweiligen Mitarbeiters. (…) Ein Mitarbeiter kann die Squads wechseln, bleibt dabei jedoch der gleichen Führungskraft zugeordnet.“

Der Sandwich-Manager muss seine Rolle neu definieren

Was das Beispiel sehr schön zeigt: Das Unternehmen setzt sehr wohl auf eine hohe Autonomie, wechselnde Teamzusammensetzungen. Aber eine Art fachliche Leitfigur gibt es auch hier, den Chapter-Lead. Dieser jedoch fungiert nicht als Sprachrohr zwischen Unternehmensebenen. Seine Aufgabe ist eine andere als die des klassischen Mittelmanagers.

Er erfüllt die Rolle eines Moderators. Er eruiert, ob seine Leute reibungslos zusammenarbeiten können:

Er ist auch derjenige, der dafür sorgt, dass die Stimmung im Team nicht kippt. Indem er regelmäßig Feedback einholt und gibt und mit den Kollegen möglichst frühzeitig und offen über Probleme oder Herausforderungen spricht, damit diese gar nicht erst anbrennen.

Seine Aufgabe ist es außerdem, laufende Prozesse mit anderen Team-Hubs so zu koordinieren, dass sie sich nicht überschneiden, sondern perfekt ergänzen. Dann ist die Wahrscheinlichkeit am größten, dass ein gemeinsames Produkt herauskommt, das im besten Fall so gut ist, dass es den Wettbewerb blass aussehen lässt.

Den Spaß an der Arbeit und an der Mitgestaltung fördern

Am Ende des Tages geht es im beim Führen von Teams künftig also verstärkt darum, dass ein moderierender Führungs- oder Coachingstil Kreativität, Innovationen und Prozessverbesserungen initiiert, um Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und Mitarbeitern den Spaß an der Arbeit und Mitgestaltung zu garantieren. Darauf müssen sich besonders Abteilungs- und Teamleiter einstellen.

Wie reformbedürftig das klassische Modell der hierarchischen Führung  ist, zeigt auch die Studie „Führungskultur im Wandel“, von der Initiative „Neue Qualität der Arbeit“. Im Rahmen der Studie wurden Führungskräfte verschiedener Ebenen befragt. Sie favorisierten mehrheitlich sich selbst organisierende Netzwerke und erteilten dem hierarchisch steuernden Management eine Absage.

Reformation der Führungsrolle im mittleren Management  – Mehrwert bieten

Allerdings: Das Ziel ist zwar klar, der Weg dorthin in vielen Unternehmen aber noch nicht. Um diesen auszuloten, brauchen wir einen kritischen Dialog über die Frage „Welchen Mehrwert bietet der Chef heute und morgen?“ Und vor allen Dingen: Wie können Unternehmen ihre Führungskräfte dazu befähigen, agile Teams zu unterstützen und zu empowern?

Um das noch einmal klar zu sagen: Dabei wird es nicht um die komplette Abschaffung des Sandwich-Managers gehen, sondern um die Frage, welche Art der Führung selbständige Mitarbeiter brauchen und wie Führungskräfte diese Selbstständigkeit und Selbstorganisation zulassen, fördern und weiter ausbauen können.

Sich selbstkritisch hinterfragen

Das bedeutet besonders für alle Bereichs- und Abteilungsleiter, sich selbstkritischen (Führungs-)Fragen zu stellen, sich weiterzubilden – persönlich und digital. Es geht auch darum, die ein oder andere Schranke im Kopf einzureißen und neue Handlungsfelder zu eruieren.

War gestern noch die Idee vorherrschend, die eigenen Mitarbeiter vor der Digitalisierung, der agilen Arbeitswelt und der neuen Freiheit beschützen zu müssen, gilt heute: „Ich muss meine Mitarbeiter ermuntern, beherzt mitzumachen und die Zukunft des Unternehmens agil und pragmatisch mitzugestalten.“

Und wer jetzt die Frage stellt: „Aber wie soll das gehen?“ Dem sei empfohlen, sich fortzubilden. Sei es auf den vielen Online-Portalen wie openHPI, der Internet-Bildungsplattform des Potsdamer Hasso-Plattner-Instituts. Wer hingegen das praktische Üben und Trainieren sowie den persönlichen Austausch mag, dem sie ein direktes Training und Coaching im Kreise Gleichgesinnter nahe gelegt. Dieses hilft übrigens auch dabei, den Spaßfaktor am Sich-Selbst-Neu-Erfinden zu erkennen. Denn Veränderungen müssen nicht immer wehtun.


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Betriebsrat: SPD will nur Startups mit BR fördern

Die Berliner SPD hat kürzlich für ein Rauschen im Blätterwald gesorgt. Sie will die staatliche Startup-Förderung an „Kriterien guter Arbeit“ koppeln. Zu diesen gehört nach Meinung der Arbeiterpartei unbedingt das Vorhandensein eines Betriebsrats. Kritiker schlagen Alarm. Sie warnen: Die Pflicht zum Betriebsrat wäre für viele förderungswürdige Startups das sichere Aus.

 SPD will Startups zu einem Betriebsrat verpflichten

Die Berliner Sozialdemokraten haben sich die Förderbedingungen von Startups zur Brust genommen und wollen durchboxen, dass staatliche Gelder zum Beispiel nur dann ausgezahlt werden, wenn in den Unternehmen ein Betriebsrat (BR) die Interessen der Arbeitnehmer vertritt. Die Idee dahinter ist gewiss ehrenhaft: Mehr Mitbestimmung und mehr Partizipation der Mitarbeiter.

Bedenkt man aber, aus welcher Zeit das Konstrukt des Betriebsrats kommt, wird schnell klar: Das Prinzip deckt sich nur wenig mit den Mitarbeiterbedürfnissen in Startups. Der BR ist eine Einrichtung, die Ende des 19. Jahrhunderts angedacht wurde, um etwa die Arbeitsbedingungen für Arbeiter in Fabriken zu stärken. Dies nun als Pflicht quasi staatlich aufzudrücken, erscheint an sich schon abenteuerlich.

Betriebsrat – ein historisches Instrument zur Stärkung der Arbeiterrechte

Doch Mitarbeiter in Startups sind nicht mit Arbeitern einer Fabrik zu vergleichen. In diesen Umfeldern wird das Thema Mitarbeiterbeteiligung völlig anders interpretiert. Hier geht es darum, Mitarbeiter zu Mitgestaltern der Unternehmensstrategie zu machen und gemeinsam Entscheidung zu treffen, wie man sich in Zukunft ausrichten will. Das berührt natürlich auch Fragen der Arbeitsplatzorganisation, der Arbeitsbedingungen und der Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen. Aber zum Mitgestalten gehört eben auch sich nicht einen BR vorschreiben zu lassen.

Berliner SPD: Aus der Zeit gefallen

Die Berliner SPD sieht das offenkundig anders und wirkt damit irgendwie aus der Zeit gefallen. Kritiker bezeichnen den Vorstoß aber nicht nur „altbacken“. In ihren Augen ist er schlicht gefährlich. Erhielte die SPD grünes Licht, würde kaum ein Startup mehr Förderungen des Landes Berlin erhalten.

Davon ist Geschäftsführer Christoph Stresing vom Startup-Verband überzeugt, wie er gegenüber Business Insider sagt: „Die Konsequenzen für den Startup-Standort wären katastrophal, Berlin würde seinen Jobmotor verlieren und die erzielten wirtschaftlichen Erfolge wieder verspielen. Die SPD tut daher gut daran, von diesen Überlegungen schnell Abstand zu nehmen. Allein Diskussionen über die Einführung solcher neuen Restriktionen führen zu Verunsicherung und fügen der Reputation der Startup-Hauptstadt vermeidbaren Schaden zu.“

Betriebsrat in Startups: Das sagt Investor Frank Thelen

Auch auf dem Businessnetzwerk LinkedIn gab es heftigen Gegenwind. Deutlich formulierte Investor und Startup Kenner Frank Thelen seine Meinung dazu „…Kein Sachverstand, populistisch, blind verteilen, anstatt aktiv zu gestalten...). Aber auch Joe Kinze, Managing Director und Art Director der plan-j GmbH, findet den Vorstoß der SPD zum Beispiel völlig wiedersinnig: „Wenn ein Startup so gut ist, dass sie von Globalplayer subventioniert oder übernommen werden, sollten zeitgemäße Arbeitsbedingungen selbstverständlich sein. Wenn ein Betriebsrat Thema wird, dann ist ein Startup sicherlich schon so sattelfest (oder mies geführt), dass der Begriff Startup schlicht falsch ist.“

Alternative Gremien der Mitarbeitermitbestimmung gut für Startups

Einen eher vermittelnden Ansatz äußert hingegen Dr. Nari Kahle, die die Abteilung für soziale Nachhaltigkeit & xStarters bei der Volkswagen AG leitet. Sie findet: „Dass auch bei Startups zukünftig stärker auf gute Arbeit und gute Arbeitsbedingungen geachtet werden soll, ist eine spannende Überlegung. Trotzdem sollten Startups selbst entscheiden dürfen, wie sie dies umsetzen möchten.“

Kahle hat Recht sagt Ursula Vranken, CEO des IPA Instituts denn sie findet  jedes Werkzeug schlecht, dass Unternehmern und Mitarabeitern einfach übergestülpt wird. Ein Tool von der Stange wird nie so gut funktionieren wie ein Tool, das maßgeschneidert ist. Aus unserer Erfahrung ist daher gerade im sehr speziellen Startup-Umfeld ein klassisch agierender BR nicht das Mittel der Wahl.

Das heißt aber nicht, dass es in Startups nicht längst andere Formen der Mitbestimmung gäbe. Immer mehr Unternehmen – und zwar nicht nur Startups-  setzen auf eine maßgeschneiderte Mitarbeitervertretung die konkret und indiduell  zum Unternehmen passt. Einen Kulturrat oder Mitabeiterboard genannt ist zum Beispiel ein Gremium bei dem alle Bereiche und Ebenen eingebunden sind, auf Augenhöhe und konsensorientiert agieren. Diese Gremien werden von Anfang an beim Gründen Ihres Boards miteinbezogen und agieren auf Augenhöhe mit den Unternehmern. Denn das ist es, was Mitarbeiterbeteiligung ausmacht: Ein funktionierendes Miteinander und nicht die Ellenbogenmentalität von anno dazumal.


Sie wollen mehr wissen zum Thema Betrieb ohne Betriebsräte? Hier gibt es mehr Infos:

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Digital Leadership hautnah (Teil 6): Talent Management- Sch… auf die Schwächen

Welche Fähigkeiten brauchen Mitarbeiter in Zeiten, in denen uns Algorithmen und Maschinen immer mehr Aufgaben abnehmen? Wie können Digital Leader sie anleiten, ihre Stärken am besten zu entdecken und zu entfalten? Das hat sich auch unser Digital Leader Jan, den wir schon seit Monaten begleiten, gefragt und nach dem optimalen Weg in puncto Talent Management gesucht. Er ist fündig geworden und durchläuft mit seiner Mannschaft ein virtuelles Coaching, das ungeahnte Stärken zum Vorschein bringen wird.

Fehler im Anmarsch, Chef springt ein – so bitte nicht

Jan hasste dieses Zucken um die Mundwinkel. Diese Sprungbereitschaft, die seinen früheren Chefs förmlich ins Gesicht geschrieben stand, wenn irgendetwas schief zu gehen drohte. Meist huschte der Teamleiter eilig herbei und entriss dem Mitarbeiter die Aufgabe. Natürlich nur, „um ihn zu schützen. Um Schlimmeres abzuwenden“. Für die betroffenen Kollegen war der vermeintliche Akt der Wertschätzung Demotivation pur. Sie fühlten sich bloßgestellt, vorgeführt und inkompetent.

Inzwischen ist Jan der Teamleader. Vor kurzem merkte er: Auch ihn hat das Zucken im Griff. Als sein Mitarbeiter Felix einen wichtigen Auftrag gegen die Wand zu fahren drohte, machte Jan sich sprungbereit und wollte übernehmen. Er sprang aber nicht. Im letzten Moment kamen ihm entscheidende Gedanken:

  • Wie soll Kollege Felix jemals aus einer Situation lernen, wenn er seine Aufgabe nie zu Ende bringen kann?
  • Wie soll Felix Verantwortung übernehmen, wenn Jan ihm diese als Teamlead immer wieder wegnimmt?

Mit klopfendem Herzen ließ Jan ihn machen, erinnerte sich an seine Rolle als Coach, klärte offene Fragen und stand jederzeit mit Rat und Tat Gewehr bei Fuß. Zu Jans Überraschung klappte alles reibungslos. Er hatte die Stärke des Kollegen, in brenzligen Situationen Ruhe zu bewahren und Entscheidungen zu treffen, unterschätzt. In dem Moment dämmerte es Jan, wie er sein Talent Management auszurichten hatte. Er würde seinen Mitarbeitern mehr Freiheiten gewähren, sich auszuprobieren und sie dabei beobachten. So könnte er unbekannte Stärken erkennen und diese fördern.

Talent Management: Warum viele Mitarbeiter und Unternehmen viel Potenzial verschenken

Ein mehr als guter Gedanke! Viele Mitarbeiter kennen ihre Stärken nämlich gar nicht oder würden diese nicht als Stärken bezeichnen. Aus der Psychologie wissen wir, wie schwer es vielen Menschen fällt, sich richtig einzuschätzen. Viele tendieren dazu, sich gegenüber sich selbst und gegenüber anderen unter Wert zu verkaufen.

Doch damit verschenken sie nicht nur viel persönliches Potenzial. Es geht auch dem Unternehmen verloren. Daher ist im Talent Management ein ehrlicher Umgang miteinander und regelmäßiges Feedback unverzichtbar. So lernen Mitarbeiter – und natürlich auch Digital Leader  – die vorhandenen Stärken und Schwächen kennen und können passgenaue Entwicklungsmaßnahmen ableiten.

Shadow Days: Für einen Tag der Schatten des Mitarbeiters sein

Jan führt dazu seit geraumer Zeit Shadow-Days durch: Er wird für einen Tag regelrecht zum Schatten eines Kollegen, begleitet ihn, schaut ihm über die Schulter und lernt die Welt aus Sicht des Mitarbeiters kennen. So entdecken nicht nur beide Seiten verborgene Talente kennen. Auch das Verständnis für die alltäglichen Herausforderungen in einer bestimmten Rolle wächst. Jan kann besser einschätzen, was die Mitarbeiter umtreibt und differenzierteres Feedback geben. Das hat Vieles harmonischer gemacht.

Doch Jan will an diesem Punkt nicht stehen bleiben, sondern seine Mitarbeiter noch besser kennen lernen und sie unterstützen, sich selbst zu entdecken. Dazu fällt heute der Startschuss. Jan hat für sein Team einen Workshop organisiert, in dem es genau darum gehen wird: Die Stärken der einzelnen Mitglieder kennen zu lernen und weiter auszubauen – auch die verborgenen. Dazu kommt der StrengthFinder des Beratungsunternehmens Gallup zum Einsatz.


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Auf der Suche nach der einzigartige Kombination aus Stärken

Dabei handelt es sich um eine webbasierte Analyse, die von spezialisierten Coaches durchgeführt wird. Diese bieten überdies ein begleitendes Coaching für das Team und Jan an. Jan wird in diesem lernen, wie er sein Team am besten fördern kann, die neu entdeckten Skills auszuleben. Gleichzeitig erhalten auch seine Leute eine virtuelles Coaching, um die eigenen Talente zum Strahlen zu bringen. Jedem Mitarbeiter stehen pro Jahr sechs Stunden mit einem Coach zur Verfügung. Das hat Jan in der Personalabteilung durchgeboxt und gerade die jungen Mitarbeiter nehmen das begeistert an.

Die Expertin, die die Analyse und das virtuelle Coaching durchführt, hatte Jan schon beim ersten einnehmenden Vorgespräch gesagt, er werde bereits über die ersten Analyse-Ergebnisse überrascht sein. Sie hat nicht zu viel versprochen. So bemerkte etwa Anna-Lena aus Jans Team, dass zusätzlich zu ihren analytischen Fähigkeiten viel kreatives Potential in ihr schlummert, das gerade in der Produktentwicklung super genutzt werden kann. Viel zu lange lag es brach – hauptsächlich, weil Anna Lena selbst einem verbreiteten Irrtum aufgesessen war: Analytische und kreative Skills schließen einander aus. Doch wo steht das geschrieben? Das fragt sich Anna Lena inzwischen auch!

Aha-Effekt über Aha-Effekt

Nicht nur für die junge Kollegin war das ein enormer Aha-Effekt – auch für Jan. Wie oft hat er Fachartikel verschlungen, die betonen, die Wirtschaft brauche mehr Menschen, die es mögen, sich selbst und das was sie tun, immer wieder neu zu erfinden. Die wie kleine Kinder Spaß daran haben, erst den Lego-Turm mühevoll aufzubauen und dann mit gleicher Lust wieder zu zerstören, um Platz für eine noch bessere Idee zu machen. So entstehen Innovationen. Jan hat das Gefühl, seinen Kollegen und sich selbst soeben dazu den Pfad geebnet zu haben – bald können sie genau diese Talente viel besser nutzen und entfalten.

In seinem virtuellen Coaching hat er außerdem herausgefunden, dass er seinem Team dazu aber auch den nötigen Raum geben muss: Ideen sprudeln nunmal nicht nach Stechuhr. Also sollten nicht – wie bislang – nur ein paar ausgewählte Kollegen aus dem Entwickler-Team die Möglichkeit haben, auch mal von zuhause aus zu arbeiten, sondern alle.

Mehr Flexibilität ist ein Muss

Ziel muss es sein, sich auch nach der Büro-Zeit oder am Wochenende nochmal einloggen zu können und dann mit Spaß neuen Ideen nachzuhängen, wenn sie sich einstellen. Aber Jan ist bereits gebranntes Kind: Er weiß, er muss darauf achten, dass seine Mitarbeiter sich nicht übernehmen. Ansonsten droht der Burnout. Also sollten alle die Chance haben, auch mal früher Schluss zu machen, wenn die zündende Idee ausbleibt.

Es macht ja auch überhaupt keinen Sinn, Zeit zu verplempern, wenn man eh nicht produktiv ist. Dann sind die Mitarbeiter besser bei ihrer Familie aufgehoben und sollen die Zeit mit ihren Kids verbringen. Dazu bedarf es einer neuen Auffassung des Talent Managements: Die Ziele zählen, nicht die Zeit, die man zu ihrer Erreichung braucht. Und es bedarf Vertrauen und Wertschätzung. Das Vertrauen und die Wertschätzung, dass die Mitarbeiter die neu gewonnene Freiheit nicht ausnutzen werden.


Lesetipp:
Mehr Tipps und Hintergrundmaterial finden Sie im  IPA Institutsbrief Talentmanagement 


Gerade junge Generationen pochen schon länger stärker auf diese Flexibilität – sie wurde ihnen lange als Faulheit ausgelegt. Jan hat nun verstanden, dass es das nicht ist: Arbeitgeber, die sie gewähren, zeigen: Sie sind in der modernen Arbeitswelt angekommen. Im Digitalzeitalter werden mehr und mehr Kreativarbeiter gefragt sein. Doch Kreativität braucht Freiraum, um sich entfalten zu können – räumlich und gedanklich. Bei Jan ist der Groschen gefallen. Er hat bereits bei HR nach einem Strategiemeeting gefragt, um die richtigen Weichen stellen zu können.


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Teil 1 : Was zum Teufel macht ein Digital Leader?“

 Teil 2: Wie zum Teufel kommuniziert ein Digital Leader?“

Teil 3Digital Recruiting: Was ist das? 

Teil 4: Der Digital Leader als Coach und Brandlöscher

Teil 5:  Selbstorganisation – schneidet die alten Managementzöpfe endlich ab!

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